DER ORTEGA-PREIS für JAGDKULTUR
Zur Erinnerung an den spanischen Kulturphilosophen „DON JOSÉ“
Die Auszeichnung wurde von einem Stifterkreis ins Leben gerufen, dem Mitglieder des FORUM LEBENDIGE JAGDKULTUR e.V. ebenso angehören wie Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, aus Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Der Stifterkreis ist organisatorisch unabhängig und wurde 1992 anlässlich der Gründungsversammlung zur Bildung der Ortega-Gesellschaft konstituiert. Initiator und geistiger Vater der Ortegagesellschaft war der Zoologe und Evolutionsforscher Professor Dr. Dr.h.c. mult. Paul Müller, Universiät Saarbrücken und Trier.
Der Preis soll wiederholend in näher nicht festgelegtem Turnus an Personen oder Institutionen, für Initiativen und Einzelleistungen verliehen werden, die sich um die Verschränkung von lebendiger Jagdkultur mit jagdlicher Erinnerungskultur in herausragender Weise verdient gemacht haben bzw. zur Förderung eines neuen Humanismus in Ortegas Sinne im allgemeinen sowie speziell mit Blick auf die Gestalt der Kultiviertheit des Jägers innovative Ideen oder Bewertungskategorien beitragen.
Im Sinne der Lebensphilosophie Ortegas gilt für Jagdkultur demgemäß das Motto: Wir wollen nicht im Bestaunen der Asche verharren, sondern das Feuer voraus tragen!
José Ortega y Gasset, wurde
am 9. Mai 1883 in Madrid geboren.
Er starb dort am 18. Oktober 1955
Die Bezeichnung bzw. den Namen bekam der Preis in Würdigung des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset als Wegbereiter der Europaidee (Der Aufstand der Massen, Madrid 1930) und wegen seines Engagements für die europäisch-abendländische Leitkultur. Die Jagdkultur im deutschsprachigen Raum steht traditionell als Subkultur in enger Verbindung zu ihrer Leitkultur. Aufstieg, Blüte und Verfall beider können wesentlich auch am Niveau der Sprache/Jägersprache abgebildet und verortet werden. Deshalb ist nach Ortgeas Überzeugung Brauchtum und Sitte Fundament jeglicher Kultur. Von der UNESCO wurden Ortegas Leitgedanken zum Inhalt und Form von Kultur aufgegriffen und in einer eigenen UNESCO-Kulturdefinition dargeboten.
Im Anglo-europäischen Kulturraum (westliche Kultur) lehnen inzwischen innovativ denkende Eliten westlicher Subkulturen die Konnotationen (Designate) des jeweils verwendeten individuellen Kulturbegriffs an diese Vorgaben an. Hiermit wird eine Harmonisierung und Gleichbedeutung der jeweiligen Vorstellung von Kultur im Sinne eines Paeadigmas erreicht.
Das Urwesen der Jagd
als Lebensform des Menschen der Morgenröte
Die Natur-Kultur-Verschränkung als die eigentliche Natur des Menschen ist nach dem Denken des spanischen Kulturphilosophen Ortega y Gasset nur über den Umweg eines Verstehens und Begreifens der Erkenntnistheorie von Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft (B 197/ B 134) möglich. Ebenso notwendig zum angemessenen Verstehen der Conditio humana nach Ortegas Grundüberzeung zur Beantwortung der Frage: Was ist der Mensch? erscheint ein angemessenes Vertrautsein mit der philosophischen Anthropologie von Helmuth Plessner (in den Stufen, 1928).
Neuere Sekundärliteratur erleichtert den wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Zugang für Laien ganz ungemein.
Ortega hat nach dem zweiten Weltkrieg mit Abhandlungen zu fundamentalen Aspekten von Jagd und Jäger, von Jagdmotiv und Jagdkultur, eine kulturanthropologische Evolution der Jagd in Gang gebracht. Mit einem Essay Meditationen über die Jagd (1942/1953) etablierte er in pragmatischer Absicht die anthropologischen Denkgrundlagen für den späteren wissenschaftlich geführten Nachweis (Kühnle 2003, wiss. Untersuchung auf Anregung von Prof. Dr. Paul Müller, Universität Trier) zur Erklärung der Kultur- Natur-Verschränkung des Jagdmotivs. Es gelang, die Jagdmotivation des modernen Jägers aus dem Nebel des Verdachtes einer Instinkt/Trieb vermittelten archaischen Bedürfnisstruktur (z.B. die Lust, Tiere im Sinne des Freudschen Lustprinzps zu töten) zu entbergen.
Ortega leistete die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen zur Entdeckung der Jagd-Motiv-Struktur des modernen Freizeitjägers in Ausdruck und Wirkung
eines kulturellen Elementartriebes.
Seine zentralen Aussagen erschienen und erscheinen oft noch heute für ein Vorstellen, Denken und Urteilen, das nicht mit der Erkenntnistheorie von Immanuel Kant vertraut ist, unverständlich, kryptisch, ja sogar unlogisch und verworren. Philosophisch ungeschultes und in der Logik unbewandertes Denken ist dabei häufig durch Mißverstehen zu Fehlinterpretationen gelangt. So beispielsweise dann, wenn der spanische Philosoph in den MEDITATIONEN über die JAGD davon spricht, die praktische Jagd könne Ablenkung, Zerstreuung oder “Ferien vom Menschsein” vermitteln. Damit spielt Ortega auf Blaise Pascal und Jen Jac Rousseau an. Diese Autoren haben in ähnlicher Weise wie Aristoteles erkannt, daß der Mensch jagend die Möglichkeit zur Ablenkung vom Todesgedanken, einem Trementum der Menschheit, zur Zerstreuung fatalistischer Todesangst ereichen kann. “Ferien vom Menschsein” bedeutet also nichts anderes als vorübergehende Befreiung vom Todesgedanken mit allen psychosozialen Folgen (Depressionen, Psychosen usw.). Bei alledem ist die bewußtseinsthematische Lage zu beachten: Der Mensch/Jäger erfährt solche Befreiung nicht bewußt, sondern ber den Umweg der mehrfach vorstehend problematisierten Lust, Tiere zu töten. Auch hier könnte man in verbaler Anwandlung an den alten Topos für ähnliche, in der Regel religiöse Entitäten, erinnert werden: Viele sind berufen, dieses (Geheimnis des Lebens?) zu erleben, aber nur wenige sind auserwählt, es zu verstehen.
ORTEGAS jagdkulturelles Credo:
Der Jäger ist der wache Mensch!
Wachheit des Geistes ist Voraussetzung für Kultiviertheit und Moralität.
Wachheit in diesem Sinne bedeutet für den spanischen Grandseigneur der Philosophie die spezifisch menschliche Verschränkung von Natur und Kultur, von Trieb und Geist oder von Sinnlichkeit und Verstand. Im Gegensatz zu Immanuel Kant ist Ortega Lebensphilosoph, Existenzphilosoph wie z.B. auch Karl Jaspers und Martin Heidegger. Ortega hat aber Kant so sehr verinnerlicht und Kants Denken seiner Philosophie damit so elementar zu Grunde gelegt, dass er von sich behauptet, Kant in totaler Weise assimiliert, intellektuell gierig verzehrt, nahezu physiologisch verdaut und danach wieder ausgeschieden zu haben, um eine eigenständige Philosophie zu ermöglichen. Dank dieser Ortega-Philosophie verfügen die Jäger heute über einen roten Faden im Verständnis der Wechselwirkung von Jagdkultur mit der Leitkultur, die wir Europäer heute allgemein mit westliche Kultur bezeichnen.
Ursprung, Sinn, Zweck und Ziel der Jagdkultur
Wegen der Komplexität des Themas kann hier nur kurz auf das von José Ortega y Gasset zum angegebenen Problem geleistete Fundamentaldenken eingegangen werden. Wegen Ortegas Orientierung an der Erkenntnistheorie von Immanuel Kant ergibt sich notwendig, dass ein Verstehen vielleicht nur vor dem Hintergrund der Kantschen Philosophie (in den Kritiken und in der Anthropologie) ermöglicht wird: Dies aber ist wohl von dem zu fordern, der überhaupt ernst zu nehmende Aussagen zu Kultur und Jagdkultur verbreiten will. Andernfalls beschränkt sich sein Denken bloß aufs Dilettieren.
Das Lusttöter-Dilemma
Ratlosigkeit, Verwirrung und Unverständnis wird oft in Jägerköpfen erzeugt, wenn einige kulturanthropologische Axiome Ortgegas zur Diskussion stehen. Jagdgegner sind, wie es scheint, sowohl unfähig als auch unwillig, elementare Aussagen als jagdkulturelle Grundstruktur anzuerkennen. Sie betreiben Selbstauslegung mit einem häufig des Denkens ungewohnten Geist und versuchen, Jägerinnen und Jäger hiermit intellektuell zu bedrängen, um dem Jagdmotiv so etwas wie Amoralität zu unterlegen. Wer Jagdpassion und Jagdlust sozusagen sexualisiert (homolog setzt!), der hat weder eine Ahnung von dem, was Lust noch was Sexualität ist. Oft soll der Eindruck erweckt werden, die Waidgerechtigkeit fliehe umgehend durchs Fenster, wenn die Jagdleidenschaft zur Tür hereinkommt.
Die Verbindung von Leitkultur und Jagdkultur
Der ORTEGA-PREIS für JAGDKULTUR wurde deshalb als Orientierungshilfe ins Leben gerufen, um auf die gesellschaftliche Relevanz lebendiger Jagdkultur zur (europäisch-abendländischen) westlichen Leitkultur aufmerksam zu machen. Ziel und Zweck des Preises ist es deshalb auch, den früher gewohnten Stellenwert der Jagdkultur im Kanon der für die westliche Gesellschaft maßgeblichen Leitkultur wieder wahrnehmbar behaust zu machen. Jäger sind keine kulturelle Randgruppe, sondern sie stehen mit lebendiger Jagdkultur auf der Höhe der Zeit mitten im kulturellen Lebensstrom ihrer konkreten und aktuellen Gesellschaft, wenn sie bereit sind, ihr Jagdverständnis ökosystmgerecht auszurichten und weder der ökologischen Universalposition noch dem hergebrachten Hegegedanken im Sinne von Tierzuchtmentalität erliegen. Die gesellschaftliche Systemtheorie von Nikolas Luhmann bietet sich an, im Konflikt unterschiedlicher jagdthematischer Subsystme (Verbände, Organisationen, Position der Fortswirtschaft usw.) eine Harmonisierung der heterogenen Ideen im Interesse der Systemeinheit Natur/Kultur zu leisten. Nach Überzeugung der Ortegagesellschaft sind Preisträger des Ortegapreises für Jagdkultur hierzu bevorzugt berufen und in der Lage.
Bis heute erzeugen Kernsätze des spanischen Philosophen nicht nur bei Jägerinnen und Jägern häufig Unverständnis und Mißverstehen. Ortegas Axiome zur Kulturevolution einer Jägergesellschaft werden oft nicht begriffen und deshalb falsch gedeutet. Leben, Töten und Tod sind fundierende Interpretationskonstrukte.
Die Gefahr leichtfertigen Hantierens mit der Triebtheorie
Die Absurdität erwähnter Jagdmotivation mag ein schlechter,weil unsinniger Erklärungsversuch sein, der zunächst den öffentlichen Interessen des Jägers nicht schadet. Autoren jüngerer Provenienz mit jagdthematischen Beiträgen gefallen sich in der spekulativen Übung, das Jagdmotiv als im Menschen angelegten Trieb in gleicher Art wie den Geschlechtstrieb (Sexualität) zu behandeln, ja beides kurzerhand als homolog auszuweisen. Großer Beifall eines überwiegend bloß der Trivialliteratur gewohnten Jägerpublikums ist ihnen gewiß. Denn, so das Kalkül: wer könnte da noch der Berechtigung, dem Anspruch zur Jagdausübung wiedersprechen, wenn das Motiv hierzu in der Natur des Menschen liegt? Wer wollte es wagen, uns unsere Natur zum Vorwurf zu machen?
Die positive gesellschaftiche Erfahrung mit diesem Faktum haben die sogenannten Schwulen gemacht. Der Bundestag hat einst gerade deshalb den Strafrechtsparagraphen( § 175 StGB ) einst aufgehoben, weil man einem Menschen seine Anlage, seine Natur nicht zum Vorwurf machen darf! Was aber ist daran Wahrheit? Was ist Wirklichkeit?
Der Bürger ist gewohnt, von Politikern belogen zu werden. Weshalb sollten Jagdpolitiker, so könnte man fragen, andere, bessere Menschen sein? Haben diese es mit ihren ehrlichen Argumenten schwer genug, die Fünfprozemtklausel der Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft zu überwinden, so erhalten sie mit der erwähnten Trieb-Beute-Motivationseinfalt zusätzlich eine argumentativ verwundbare Flanke, auf die sich Jagdgegner bereits eingeschossen haben. Sie argumentieren mit den Fakten der Zeit früher menschlicher Vergesellschaftung (vgl.z.B. Literatur Gumblovic et al) und dem heute allgemeinen Wissen bezüglich der Beuteobjekte früher Jäger: Es waren bekanntlich arteigene Individuuen, die auf einer langen Zeitstrecke der Phylogenese vom HOMO VENATOR bevorzugt vor Tieren erbeutet und verspeist wurden. Ortega formuliert: Der Jäger war zunächst ein Raubtier.
Mag den Autoren als moderne Beute-Bedürfnis-Theoretiker guter Wille zugestanden sein, er genügt allein jedoch nicht, ein Wissen bloß doctus ex libris mit subjektiven Erfahrungen eigener Autoren-Jagdmotivation so weit zu verbinden, daß von einem Jagdtrieb die Rede ist, der wie der Geschlechtstrieb im Menschen angelegt sei. Da ist freilich auf der Systemebene etwas dran! Unprofessionelle Spekulationswissenschaftler vermengen aber, wie sich am hier konkreten Fall zeigt, gern inkomensurable Entitäten so, als wären sie biotisch Zygoten. Sie ahnen nicht, daß ihr Eklektizismus im Arsenal von Bezugsperönlichkeiten der Wissenschaft (z.B. Sigmund Freud) der wohl schlechteste Weg zur Logik den Denkens bzw. zu vermuteter logischen Argumentation ist. Auf der Ebene der Jäger-Leserschaft erheischen sie Beachtung. Auf jener der Wissenschaft geben sie sich der Lächerlichkeit preis.
Wie denn, wenn die Frage kommt, ob und wie die Evolution diese genetisch determinierten Anlagen hierzu vielleicht eliminiert habe ,um nur den Trieb zu erhalten, bestimmte Tierarten zu bejagen? Aristoteles hatte schon klar erkannt, was aus solchem finsteren Erbe in uns gewoden ist: Die Neigung zum Krieg!
Wohl nicht zuletzt deshalb wird das Wort JAGD bis heute als Universalbegriff auch im militärischen Bereich verwendet: Gebirgsjäger, Fallschirmjäger, Düsenjäger u.a.m. Militärische Fahrzeuge erhalten Raubtiernamen wie z.B. Leopard, Wiesel, Libelle usw. Wäre es da nicht im Interesse der Wildjagd und des Jägers für Autoren sehr verdienstvoll, sich um das Gedanken zu machen, was im menschlichen Gehirn mit der Vorstellung Jagd weltweit im Sinne eines Universalbegriffs verbunden wird?
Würde dieses “Geheimnis” entborgen, wäre mit der heute negativen Beliebtheit des Jägers in der Gesellschaft wahrscheinlich eine kopernikanische Wende zum positiven Image verbunden. Der Ortega Preis für Jagdkultur will auch auf solche Art Ansporn geben, im erweiterten Wissen anthropologischer Grundtatsachen eine lebendige Jagdkultur durch Wissenschaft in Gang zu bringen, die auch profunde Erkenntnisse aus dem Inbegriff der Natur des Menschen als Antwort auf die Frage liefern kann: Weshalb jagen wir noch heute?
Ortega: Das Töten des Wildes ist ein Vergnügen
und auf diese Weise ist die Jagd als Vergnügen der einzige normale Fall in der Natur
“„In der ganzen Morphologie des Todes wird die Ordnung der Natur scheinbar zum Widersinn, wenn das Blut, das das Leben trägt und symbolisiert, aus dem Organismus heraustritt. Ein Gefühl des Ekels und Schreckens verbreitet sich: Aber das ist der Tod,“” stellt Ortega fest. Diesem Schauder erregenden Faktum der Natur, so Ortega weiter, „”…steht die Jagd als etwas Einzigartiges gegenüber, denn sie ist der einzig normale Fall, wo das Töten eines Tieres zum Vergnügen eines anderen wird.”“
Jagdgegner konstruieren daraus eine Lust am Töten, weil sie Kant nicht begreifen. Tatsächlich aber kann bloß von einer Lust zu töten gesprochen werden, wenn wir die oben ausführlich dargebotene Erklärung des Motivs ernsthaft bedenken und damit das Problem ontologisch (Todesangst) verorten können. Und insoweit ist das etwas kategorial ganz anderes!
Denn, so ist zu fragen, weshalb ist dieses Vergnügen der einzig normale Fall in der Natur, der durch Töten eine seltsam anmutende Emotion des Jägers auslöst? Die Antwort Ortegas lautet m.a.W.: weil genau hier im Prozeß des Bewusstwerdens von Tod und Endlichkeit des Selbstbewusstseins eine kulturelle Evolution ihren Ausgang nahm. Alles, was der Mensch als Jäger im ultimativen Akt der Jagd als Freude und Glück erlebt, ist Ausdruck einer Problemlösung zur psychischen Hygiene wie es die meisten Menschen auf unterschiedlichen Feldern ebenso ( und immer unbewußt) erleben.Genau darin liegt der Konflikt des Menschen mit seiner Kultur.
Deutung mit der Naturzweck-Formel von Immanuel Kant
Ortega benutzt hier Kants Naturzweck-Formel, der gemäß die Jagd in sich selbst Kausalität, also Ursache und Wirkung ist. Kulturell gewendet sagt er deshalb auch: „”Das Töten ist nicht der ausschließliche Zweck des Jagens. (…) Das Töten des Tieres ist der natürliche Abschluß der Jagd und ihr Ziel, das der Jagd an sich, nicht des Jägers.“” Andererseits aber „”… gründet die Jagd auf einer tief und dauernd im Wesen des Menschen angelegten Begierde”“.
Diese aber besteht nicht darin, Tiere zu töten, sondern nach Ressourcen zu jagen, materielle ebenso wie geistige und überall auf solchen Feldern, wo der Mensch Bedürfniswesen ist. Deshalb ist der Begriff Jagd universell. Das Wort ist weltweit in der Vorstellung aller Menschen mit Bedürfnis und Befriedigung von Bedürfnissen verbunden. Die besondere jagdkulturelle Leistung Ortegas besteht nun darin, das Urwesen der Jagd bei unseren Vorfahren, den Menschen der Morgenröte, im Kontext von Töten und Vergnügen kulturevolutiv als die eigentliche Natur des Menschen erkannt zu haben: Es ist die kulturelle bzw. eine moralische Anlage des Menschen, im eigentlichen Sinne der Kern der Conditio humana. „”…das Jagen birgt eine ganze Moral in sich, und zwar von der hervorragendsten Art.”“
Das Leben ist eine Aufgabe zur Selbst-Verwirklichung
Wie soll man diese zunächst unverständliche Bemerkung verstehen? Mit Kant begreift Ortega menschliches Leben als Aufgabe (werde, der du bist). Wer bloß auf tierisch-triebvernetzter Ebene lebt, der kulturferne dumpfe und egoistische Mensch, spürt den Anruf des Gewissens nicht und ist deshalb auch von Ortega nicht als kultivierter Mensch in den Blick genommen. Ein besonderes Postulat Kants an den Menschen ist es, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die im Menschen angelegten Fähigkeiten optimal zu bilden, physische wie geistige. Auf diesem Wege erfahren Jägerinnen und Jäger eine Umformung, eine Höherstufung ihrer Jagdmotivation vom bloß emotinal- tierischen Triebmsuter zum kulturellen Elementartrieb, dessen sie sich dann bewußt zu werden fähig sind.
Wie Immanuel Kant fordert Ortega y Gasset für den Menschen deshalb auch eine höhere Moral. Sie „… müsste dem Menschen zeigen, dass er sein Leben besitzt, um es sinnvoll in Gefahr zu bringen.“ Für ihn bedeuten Tod und Tier Rätsel in der Natur, die er in Ehrfurcht vor der Natur zum Ausgleich bringen will. So formuliert Ortega: „Bei der Jagdmoral vervielfältigt sich das Rätsel des Todes mit dem Rätsel des Tieres.“
Und deshalb gehört zum guten Jäger „eine Unruhe im Gewissen angesichts des Todes, den er dem bezaubernden Tier bringt.“
Hier treffen wir im Rückblick auf unsere Phylogenese, an deren Anfängen mit Ortegas Worten der Mensch ein Raubtier war, auf jenen kultivierten Jäger, von dem er sagt: „”Der Jäger ist der wache Mensch”“. Auf diesem kulturellen Niveau angekommen ist und bleibt die Jagd auch weiterhin für den modernen Jäger „(…) ein Wettstreit oder das Aufeinandertreffen zweier Systeme von Instinkten.“
Er hat aber gelernt, seine Triebe im Zaume zu halten und sein Handeln gegen das Lustprinzip zu kultivieren (Realitätsprinzip). Wie das geschieht, das hat Ortega an vielen Beispielen dargeboten. Ein Muster unter diesen ist das in der Natur vorhandene Spielraumprinzip, das Ortega für den kultivierten Jäger beruft. Wir wenden es längst an. Es ist im großen Arsenal der Waidgerechtigkeit z.B. mit den Jagdgesetzten vertreten und findet im Ausdruck der ökosystemgerechten Jagd nach Paul Müller seinen Niederschlag ebenso wie bei Kriegsereignissen, wenn diese Auseinandersetzungen kultivierter Staaten sind (Genfer Konvention).
Es wurden nur einige der Axiome von Ortega besprochen, die Jagdkultur bis heute gestaltend beeinflussen und vor allem die Kultivierung jagdlichen Handelns erst auf der intellektuellen Ebene ermöglicht haben. Mit Ortega y Gasset hat die Jagdmoral bzw. die Waidgerechtigkeit die behördliche und gesetzliche Verordnungsebene verlassen und überhöht. Der kultivierte moderne Jäger entscheidet sich nicht aus Zwang, aus Furcht vor Sanktionen, sondern aus Freiheit zur Kultur, zum Ethos seines jagdlichen Handelns. In Würdigung der kulturanthropologischen, jagdmoralischen und mit der Europaidee verbundenen gesellschaftspolitischen Leistung des José Ortega y Gasset wurde, wie bereits oben angegeben, der Kulturpreis mit seinem Namen verbunden.
Allerdings bleibt für den Jäger wie gleichfalls für alle Menschen aller Völker das von Arthur Schopenhauer beklagte Problem verhaltenskonstitutiv: Diese Freiheit ist wahrscheinlich für die Mehrheit der Jäger nur eine Möglichkeit, keine Notwendigkeit. Viele bedürfen zu ihrer Kultivierung weiterhin gesetzlicher Sanktionen und vorbildhafter Leistungen von Eliten, z. B. durch Leitgestalten bei Jagdverbänden. Das Vorhandensein von Jagdkultur erzeugt nicht automatisch den kultivierten, den waidgerechten Jäger. Fortschritt und Blüte in Natur und Kultur scheinen ähnlich strukturiert zu sein: Auch der Baum muß beschnitten werden, wenn er prächtige Blüten und reiche Frucht tragen soll. Kulturen wurzeln in ihrer Tradition (Sitten,Brauchtum, Geistesgeschichte) und erleben nur dann kulturelle Evolution (Fortschritt), wenn sie Traditionen pflegen. Und auch hier wiederum mit Kants Baumbeispiel: Man kann den Baum nicht zur Blüte bringen, er wird keine Früchte tragen, wenn man ihm die Wurzeln abschlägt.
Von Dr. Günter R. Kühnle