◊ Politik/Gesellschaft ◊

F E S T R E D E

von

Dr. Peter Gauweiler, MdB

Staatsminister a.D.

Verleihung des Ortega-Preises für Jagdkultur

„Europa als Kultur ist nicht dasselbe

wie Europa als Staat“

Deutsches Jagd- und Fischereimuseum

München, am 11. März 2015

“Yo soy yo y mi circunstancia”

Gratulation zum Ortega-Preis!

Setzt Verantwortung für Schuld Selbstbestimmung voraus?

Für Immanuel Kant stand fest, daß jener, der im Sinne von Max Scheler über Vollsinnigkeit verfügt auch die Wahlfreiheit zwischen Handlungsalternativen besitzt und diese autonom ausüben kann. Das Problem liegt in der tieferen Bedeutung dessen, was wir unter Vollsinnigkeit einerseits (Scheler) und Vernunft andererseits (sensu Kant)  begreifen. Die aktuellen und teilweise als brisant wahrgenommenen Ergebnisse in der Hirnforschung, auf dem Felde der Neurowissenschaften allgemein, der Genetik und Hormonforschung  scheinen für manchen Betrachter so etwas wie eine kopernikanische Wende auf dem Gebiete von Zurechnungsfähigkeit und Schuldfähigkeit des Individuums evoziert zu haben: Wenn mein freier Wille eine Illusion über eine Wahlfreiheit bei Alternativen ist, dann gibt es eben keine Alternative, sondern bloß Determiniertheit. Es scheint jedenfalls mit empirischen Beleg festzustehen, daß ein Handeln bzw. Entscheiden schon kurz vor unserem mentalen Zugriff auf die Szene festgelegt ist. Bevor also der freie Wille sein Geschäft betreibt ist offenbar auf neuronalem Schleichweg schon die invisble hand aus dem emotionalen Cortex oder dem limbischen System dirigistisch in unsere “Autonomie” hinein geschlichen.

DIE KULTUR DER FREIHEIT

Mit Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Felder pflegen wir  gewöhnlich die jeweiligen Positionen nach Welt- und Menschenbilder distributiv wahrzunehmen. Die Grobrasterung erfolgt dabei meistens in konservativ, liberal und links. Mit sozio-politisch prädikativen  Klischees dieser Art zielen wir auf subjektive wie kollektive Mentalität bzw. auf politische Konzepte. Intellektuell geht wie es scheint, gern mit links bzw. links-liberal zusammen und will damit vor allem als fortschrittlich, unabhängig und aufgeklärt wahrgenommen werden. Dabei wird der geistige Anspruch z.B. von Liberalität als Ausdruck der Freiheit auffallend häufig von bürgerlichen wie akademischen Mittel und Unterschichten via Libertinage und einer häufig indifferenten Einstellung zu den so genannten Kardinaltugenden (bzw. Grundwerten)  nach dem Vorbild der achtundsechziger Revolte missverstanden.  Die Werterelativität favorisiert leicht eine subjektive Wertepräferenz, die zu gesellschaftlichen Irritationen führen kann, wenn man sie universell reklamiert oder absolut setzt.